Warum sollte man grüner fliegen, wenn es die grünste Alternative ist, gar nicht mehr zu fliegen? Wenn ich es wirklich ernst meine mit der Nachhaltigkeit, dann darf ich doch eigentlich gar nicht mehr in ein Flugzeug steigen! Solche Gedanken gehen mir immer wieder durch den Kopf.
Über das Für und Wider von Flugreisen. Eine Meinung.
Ganz auf das Fliegen verzichten?
Als ich angefangen habe, bei GruenerFliegen aktiv mitzumachen, war mir sofort klar: das wird Gegenwind geben! Sobald das Projekt etwas größer wird, werden Leute uns kritisieren und des Greenwashings bezichtigen. Und diese Kritik ist sicher nicht unberechtigt: Immerhin ist der Flugverkehr für ca. 2,8% aller CO2-Emmissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe verantwortlich (Zahlen aus 2016). [1]
Gemessen an der Gesamtzahl von Menschen, die überhaupt je fliegen ist das eine hohe Zahl, denn Schätzungen zufolge sind nur ca. 3-5% der Weltbevölkerung bisher überhaupt geflogen.[2] Aber gemessen an 100% CO2-Emmissionen ist es doch wiederum auch gar nicht so viel, oder? Der Straßenverkehr liegt bei 18% Anteil, unser Strom und Wärme sind mit 41% sind deutlich größere Einflussfaktoren. [3]
Aber machen wir uns nichts vor: besser für die Umwelt und nachhaltiger wäre es auf das Fliegen vollständig zu verzichten. Und für manche Menschen mag das die beste Lösung sein. Aber für mich ist es das nicht. Denn ich glaube nicht, dass Nachhaltigkeit nur Verzicht bedeuten darf! Wie lange halte ich ein Leben aus, in dem ich mir selbst meine Herzenswünsche versage und darauf verzichte für eine unbestimmte und abstrakte Gefahr wie den Klimawandel? Wie lange ist das möglich ohne irgendwann resigniert aufzugeben? Wir spüren gerade in Zeiten von Corona, wie belastend solche Situation auf Dauer sein kann. Nachhaltigkeit muss daher aus meiner Sicht auch ohne faule Kompromisse und ohne das Gefühl von Verzicht möglich sein, sonst wird es nicht von Dauer sein!
Die Nachhaltigkeit und ich
Selbst definiere ich mich immer mehr über das Thema Nachhaltigkeit in meinem Leben. Ich besitze kein Auto; anfänglich aus Kostengründen, aber mittlerweile bin ich überzeugte Nicht-Auto-Besitzerin (mit Ausnahme von meinem Traum eines eigenen Vans, den ich mir sicherlich irgendwann erfüllen werde). Ich esse kein Fleisch, lebe überwiegend vegan. Ich kaufe inzwischen sehr saisonal und regional ein, wenn möglich auf dem Wochenmarkt, aber zumindest immer mehr plastikfrei im Bio-Supermarkt. Damit bin ich in den Bereichen Verkehr und Ernährung schon sehr umweltschonend.
Was mir dabei sehr wichtig ist: Ich möchte dabei weder Autobesitzer noch Fleischesser verunglimpfen und kritisieren. Ich finde es so viel besser, wenn jeder das tut, was er mit sich und seinem Leben vereinbaren kann, als wenn man das Streben nach Nachhaltigkeit komplett aufgibt, weil man keine 100% schaffen kann (denn wer schafft die schon?). In der Stadt ist beispielsweise der öffentliche Nahverkehr selbstverständlich besser ausgebaut und die Strecken sind mit dem Fahrrad machbar – ich kann mich also überhaupt nicht mit Menschen in ländlichen Gegenden vergleichen.
Wie bei einer Ernährungsumstellung und anderen Gewohnheiten, die wir selten von 0 auf 100 umstellen, sondern am besten in kleinen Schritten angehen. Immer in machbaren und realistischen Schritten aber dafür mit nachhaltigem Erfolg. Und vor allem mit Verständnis und Nachsicht für einander statt „Whataboutism“ und Kritik an denjenigen, die versuchen einen Unterschied zu machen.
Ich liebe es zu reisen
Und beim Thema Machbarkeit für jeden individuell: für mich ist das Reisen mein zweites Herzensthema. Ich liebe es zu reisen, neue Länder, Landschaften und Kulturen zu entdecken. Mich selbst auf diesen Reisen immer wieder (neu) zu entdecken. Die Reisen in meinem Leben haben mich verändert und zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.
Auf Reisen habe ich gesehen und erlebt, wie wir mit der Natur und ihren Ressourcen umgehen. Ich habe verschmutzte Strände, Wälder, Felder und Gewässer gesehen, sterbende Korallenriffs und habe Orte besucht, die aufgrund von Wassermangel aufgegeben wurden und heute nicht mehr bewohnbar sind. Und ich habe die Schönheit der Natur kennengelernt und gefühlt, wie schützenswert sie ist!
Reisen fürs Klima
Mir ist gerade durch meine Reisen immer klarer geworden, dass viel passieren muss in unserer Gesellschaft, aber vor allem auch, dass ich etwas tun muss! Bei mir und in meinem Leben etwas zu ändern und meinen Beitrag zu leisten. Wer bin ich also, mit diesem Wissen von anderen zu verlangen, nicht zu reisen? Wer bin ich der größer werdenden Zahl an Menschen, die reisen wollen (und es sich auch leisten können) zu verbieten, das gleiche zu sehen und zu erleben wie ich? Die gleichen Entdeckungen zu machen und womöglich mit der gleichen Begeisterung, dem gleichen Gefühl nachhaltiger leben zu wollen? Nur wenn wir diese Dinge mit eigenen Augen sehen und fühlen, werden wir aktiv und haben die Energie in uns, die es braucht, um den Klimawandel zu verlangsamen und die Umwelt zu schützen!
Was wäre, wenn das Reisen eine der besten Möglichkeiten ist, das Verständnis für andere Kulturen, Länder und Menschen, die Schönheit und das Schützenswerte der Natur zu sehen und damit mehr Unterstützung im Streben nach Nachhaltigkeit (und Frieden) zu erlangen? Ist es dann nicht sogar gut, zu verreisen?
Daher glaube ich daran, dass Reisen sogar gut für uns, unsere Gesellschaft, das Klima und die Natur sind.
Der Versuch einer Lösung
Natürlich frage ich mich bei jedem Urlaub, bei jeder Reise und jedem Flug: ist das wirklich nötig? Kann ich nachhaltiger an mein Ziel gelangen? Wie kann ich die nachhaltigste Art zu reisen finden?
Aber manchmal gibt es keine Alternative oder diese dauert viel zu lange, ist ebenfalls nicht nachhaltig (z.B. eine Schiffsfahrt) und ich möchte gern gute Freunde oder Verwandte besuchen oder einfach unbedingt dieses eine Land sehen, von dem ich lange geträumt habe…
Und wenn es keine wirkliche (nachhaltigere) Alternative zu einem Flug gibt, dann buche ich wenigstens den CO2-ärmsten und kompensiere den Verbrauch. Das ist für mich die beste Lösung.
[1] https://www.klimaschutz-portal.aero/klimakiller-nr-1/ (Stand 23.02.2021)
[2] https://www.dw.com/de/der-klimawandel-und-das-fliegen/a-42094220; https://www.atmosfair.de/de/gruenreisen/klimagerechtigkeit/
[3] https://www.klimaschutz-portal.aero/klimakiller-nr-1/ (Stand 23.02.2021)
Patricia
Patricia lebt in Berlin und liebt Reisen, Fotografie und Lesen. GruenerFliegen begleitet sie seit Anfang 2021. Nachhaltiges Leben, Gleichberechtigung und ein fairer Umgang aller Menschen miteinander sind ihre Herzensthemen.